Das Kind

Erst in dann bei mir aufgewachsen, 
uns gegenseitig ge- und eingeprägt,
schließlich über mich und sich hinausgewachsen
und trotz mancher Steine auf gangbarem Weg.

Hat Vertrauen mir zum Geschenk gemacht,
zutiefst verbunden und doch ewig fremd.
An meine Grenzen hat es mich gelegentlich gebracht,
während es selber keine Grenzen kennt.

Freundesland

Das Gras scheint grüner, dort wo du stehst;
viel gerader scheint der Weg, auf dem du gehst.
Jede Kreuzung scheint Wegweiser für dich zu haben:
Nie scheinen dich Entscheidungen zu plagen,
welcher Weg nun gangbar und richtig für dich ist,
hast nie die Möglichkeiten eines anderen Wegs vermisst.
Bestätigung scheint überall in deinem Land zu wachsen,
die Steine auf deinem Weg alle rund geformt,
so dass sie weder Schuhe noch das Selbstvertrauen ankratzen.

SELBST ICH!

Seit jeher vor mir SELBST davon gerannt,
obwohl ICH mich vermeintlich auf dem Weg zum SELBST befand.
Bin weit gekommen, doch nirgends angelangt.

Verletzlich ICH im Leben stand,
da sich das SELBST nicht schützend um mich rankt
und ICH zwar Werte, doch nicht den Wert des SELBST empfand.

Während manch einer sein SELBST verliebt erkannt
und sein Leben elegant zum Glück gewandt,
ICH mich schließlich SELBSTlos sinnvoll fand.

Der Ausflug

Vom Zwielicht der Dämmerung verborgen,
unbemerkt von meinen Alltagssorgen,
stahl‘ ich mich still und leise fort
zu diesem ganz speziellen Ort.

Schimmernd der Spiegel des klaren, ruhigen Sees,
in dessen reines Wasser ich die Gedanken gleiten ließ:
Frei, die pure Klarheit zu genießen
und in die Tiefe bis auf den Grund zu fließen.

Mitternacht

Wenn die Nacht am dunkelsten ist,
man sogar das Sternenlicht vermisst
und alle Menschen tief und friedlich schlafen,
sich manchmal die geheimsten Träume mit mir trafen.
Schmeichlerisch galant luden sie mich ein,
Teil ihrer undurchschaubaren Welt zu sein.

Spürte zwar ein leichtes Unbehagen,
wollte es aber dennoch wagen, 
diese merkwürdige Sphäre zu erkunden.
Anfängliche Vorbehalte waren schnell verschwunden.
Verführerisch, unwiderstehlich
zugleich vielleicht nicht ungefährlich.

Zauberwelt

Frühmorgendliche Kühle,
die ich bis in die Zehenspitzen fühle.
Der Himmel mit Wolken tief verhangen,
das milchige Licht kann kaum hindurch gelangen.

Ein ruhiger schilfig grüner See
umsäumt von üppigem Naturbouquet,
feucht und schwer vom Tau der Nacht.
Ein Hauch von Mystik, der zur Morgendämmerung erwacht.

Die Hinterbliebene

Schwarze Schrift auf harmlosem Papier
brachte bleischwere Worte hin zu ihr.
Bewegend und liebevoll gewählt,
hatten sie von einem Abschied ihr erzählt.
Ein Abschied mit Endgültigkeit,
unfreiwillig auf und in die Ewigkeit.
Überraschend kamen diese Worte nicht;
zutiefst berührend, aber dunkler als das Schwarz der Schrift.

Banale Tage

Ein ganz normaler Tag begann
Ging ihn ohne jegliche Erwartung an
Unbestimmter Gleichmut,
der schlicht und freundlich in mir ruht

An diesem Tag, der weder Drama noch besonderen Glanz versprach,
ging ich pflichtbewusst der täglichen Routine nach
So friedlich und so unspektakulär
Mit Raum für schweifende Gedanken nebenher

Als jemand beiläufig die Bemerkung machte,
die unverhofft ein Feuer in der Fantasie entfachte:
Die Gedanken explodierten,
zauberten Bilder, die sich gegenseitig inspirierten!

Das Delta

Wir sehen beide auf das Meer.
Du sagst, Du magst das Blau so sehr.
Ja – unvergleichlich schön ist dieses Blau!
Doch was siehst Du ganz genau?
Wie sieht „Blau“ mit Deinen Augen aus?
Welche Assoziation entsteht für Dich daraus?
Niemals werde ich erfahren,
ob unsere Wahrnehmungen identisch waren.
Niemals werde ich mit Deinen Augen sehen,
Dich niemals 100% verstehen.
Immer wird dies kleine Delta existieren,
über dessen wahres Ausmaß wir stetig spekulieren.