Klartext

Ich liebe deinen Dialekt,
der in jedem deiner Wörter steckt.
Kaum einer spricht ihn heute noch,
dagegen versteht ihn jeder doch.
Jedes Wort so klar wie ein Kristall,
ungeschminkter Wörterfall,
der sich nicht vor unbequemen Sätzen scheut
und den Kern der Wahrheit stets erreicht,
der – aller Risiken zum Trotz – Sätze in die tiefsten Tiefen dringen lässt:
Deine Sprache ist so samtig weich wie felsenfest!

Hartgefühl

Ich fürchte die Glückseligkeit
der verordneten Geselligkeit.
Rücksichtsvoll die Zeit im Mainstream zu verprassen,
die eigne Meinung gar nicht zuzulassen …
Von Wogen der Zustimmung läßt man sich umspülen,
denn natürlich hat sich jeder mit jedem Satz und immer „wohl zu fühlen“.
Bloß kein kritisches Wort, mit Zacken oder Ecken,
sonst wird sich das Zartgefühl erschrecken!

Advent

Advent, Advent ein Lichtlein brennt
Besinnlichkeit und Nächstenliebe
Sei dem Advent doch immanent
So dachte ich naiver Weise – Kerzenschein und Friede

Doch weit gefehlt: Statt Besinnlichkeit
Macht sich der Weihnachtsterror breit
Vom Ehrgeiz gestählte Gesichter
Wer verschenkt die schönsten Lichter?
Wer hat am meisten selbst gemacht?
Wer hat sich besonders nette Dinge ausgedacht?
Noch ein Kalender für den Lehrer, wär‘ das nicht fein?
Und noch eine Gabe für den Trainer im Verein
Noch ein Päckchen für die „Hilfe in Timbuktistan“
Und ein Kränzlein für die Hort-Erzieher fertigen wir auch noch an

Freigeist

Dieser außerordentliche Gefährte
Setzt grundsätzlich seine eigenen Werte
Denkprozesse stets Ergebnis offen
Hört er nicht auf, auf neue Einsichten zu hoffen
Engstirnigkeit verabscheut er ganz generell
Ist Von Natur aus unkonventionell

Dogmen und gesellschaftliche Zwänge
Treiben ihn beständig in die Enge
Intellektuell ist er zu anspruchsvoll
Für gesellschaftliches Einheitsprotokoll
Vorurteile sind ihm vollkommen fremd
Sie stehen im Weg, wo es ihn zu freiheitlichem Denken drängt
Doch sollte man auch etwas anderes nicht verschweigen
Freier Geist mag sich herkömmlicher Moral nicht immer beugen

Elefanten

Sie sind groß und sie sind schwer
Trampeln alles nieder um sie her
Sind dickhäutig auf die Welt gekommen
Werden als majestätisch wahrgenommen

So imposant sie auch erscheinen
Ihr Äußeres der Grazie entbehrt
Mit ihren kräftigen, stampfenden Beinen
Im Porzellanladen absolut verkehrt

Sie leben gemeinsam – in Herden vereint
Können für Dritte durchaus gefährlich sein
Ihr Miteinander jedoch voll Fürsorge erscheint 
Die Schwächeren schützend stehen sie füreinander ein

Gegenentwurf

Aller Orten kann man hören oder lesen
Das Leben sei zu aufwühlend gewesen
Man suche nach Entspannung und nach Frieden
Habe sich für Meditation und Ruhe nun entschieden

In zu kurzer Zeit sich auf zu viele Dinge einzustellen
Sei eine der wesentlichen Quellen
Für Stress und Überforderung
Die Geißel der Bevölkerung

Zwar kann ich theoretisch das verstehen
Doch fremd ist mir dies Problem
Dieser sogenannte Stress ist mir
Herausforderung und Lebenselixier

Die Kinder der Revolution

Als sie die Bühne der Gesellschaft einst betreten
Hatten sie Vielfalt hochgepriesen
Waren für Toleranz und Freiheit eingetreten
Hatten auf Meinungsfreiheit oft verwiesen

Dieselben Menschen – heute etabliert
Gefallen sich in ihrem Spiegelbild
Haben mit Selbstgerechtigkeit sich reduziert
Und engstirnig zur Meinungspolizei sich degradiert

Sprechen weiterhin von Toleranz
Haben die Bedeutung allerdings begraben
Vergessen – sich permanent empörend – ganz
Respekt vorm Andersdenkenden zu haben