Kann man lesen, muss man aber nicht. Eine Trilogie, die sich um die Irrungen und Wirrungen eines Familien- und Freundeskreises in Hamburg dreht. Akzeptable Urlaubslektüre, speziell für Leute, die selbst irgendwann in Hamburg gelebt haben und daher die Plätze der Handlung kennen. Besser noch für Leute, die – wie ich – während der 70er und 80er in Hamburg gelebt haben, denn die von Carmen Korn beschriebene Lebensatmosphäre dieser Zeit deckt sich ziemlich genau mit dem tatsächlichen Lebensgefühl damals. Ein schöner nostalgischer Wiedererkennungseffekt!


Was sich allerdings gar nicht mit der Realität deckt – nicht mit der der 70er und 80er Jahre und auch mit keiner anderen Realität -, ist, dass gegensätzlichste Lebensentwürfe und größte menschliche Enttäuschungen bis hin zu ausgewachsenem Betrug und Kriminalität von dem im Mittelpunkt der Geschichte stehenden eingeschworenen Familien- und Freundeskreis stets mit tolerantem Gleichmut und geradezu freundlich nickend hingenommen werden. Abgesehen von einer einzigen Situation, in der eine Denunziation allerdings auch immerhin den Tod der Mutter einer Protagonistin zur Folge hatte, leiden die Freundschaften – wenn überhaupt – allenfalls temporär unter derartigen Konflikten:
Betrug unter Liebenden: Kein Problem! Keine Szenen, keine Zerwürfnisse – ein ernstes Gespräch (oder vielleicht zwei) und alles ist wieder gut. Auch wenn die Lebensentwürfe der Kinder geradezu diametral im Gegensatz zu den Moralvorstellungen der Eltern stehen: Kein Problem! Man liebt die kriminelle Tochter im Terroristenmilieu weiterhin mit ausgesuchter Innigkeit. Generationenkonflikt? Ja, die Großmutter hat eine nörglerische Natur, die man mehr oder weniger klaglos hinnimmt, aber Generationenkonflikt? Was ist das überhaupt? Enkel kommen hervorragend mit ihren Großeltern aus, genau wie die Eltern mit den Kindern und umgekehrt. Alles bene! Man scheint auch immer Lust auf dieses Miteinander zu haben, was in mir zusätzlich eine gewisse Ungläubigkeit auslöst. Aber wahrscheinlich steht mir mein antisoziales Wesen hier in Wege …
Es zieht sich durch: Der Plot leidet beileibe nicht an einem Mangel von ernsten – sogar lebens- und existenzbedrohlichen – Problemlagen. Allem wird mit besagter unaufgeregter, freundlicher Gleichmütigkeit begegnet: Die langjährige Lebensgefährtin hat ein Alkoholproblem? Auch kein Thema – man lebt halt damit. Sie nimmt sich schließlich das Leben? Nun ja, nicht schön, aber man kommt ohne erkennbare Blessuren darüber hinweg. Keine Vorwürfe, keine Selbstzweifel, keine Verzweiflung. Erbstreitigkeiten? Nein, doch nicht hier! Alles löst sich wie von selbst. Die gesamte Trilogie kommt ohne gewaltige Gefühlsausbrüche aus. Dementsprechend werden die Leben der Protagonisten durch solche auch nicht aus der Bahn geworfen.

Gleiches gilt für die Positiv-Seite der Gefühlsbilanz: Liebe, wohin man schaut: Jeder Topf findet seinen Deckel. Jede Liebe ist weitgehend klar und frei von jeglichem Hadern. Und dort wo gehadert wird, steht glücklicherweise ein ausgesprochen leidensfähiges Individuum auf der anderen Seite, das einfach duldsam abwartet, bis es sich beim geliebten Partner ausgehadert hat. Keine Frustration, keine Drohungen, kein Ausbruch aus der Beziehung. Absolute Sicherheit, dass, was immer auch passiert, man durch diesen wunderbaren Familien- und Freundeskreis aufgefangen wird. Ein schönes Bild! Kann ich gut verstehen – wünscht sich jeder. Mit der Realität aber nur schwer in Einklang zu bringen. Muss es allerdings auch nicht, denn schließlich handelt es sich bei der Trilogie ja um einen Roman und nicht um eine Dokumentation. Eine Schicht von unverbrüchlich heiler Welt, die sich wie die Marzipandecke einer Torte über die gesamte Handlung legt. Und die die gesamte Handlung – genau so, wie durch die zuckrige Marzipandecke schließlich die gesamte Torte einfach nur noch süß und daher fade schmeckt – am Ende etwas seicht erscheinen lässt. Aber eben schön – seicht!
Daher genau das Richtige für einen entspannten Urlaub. Besonders, wenn es sich um einen Urlaub mit der Familie handelt, denn die Trilogie hinterlässt einen Hauch des irrigen Gefühls, dass alle Differenzen in der Familie doch eigentlich unbedeutend sind. Das kann ja bei einem Familienurlaub ganz hilfreich sein!
© 2021 Joanna Watson Stein